Was heute nach einem skurrilen Fund klingt, entpuppt sich für die Paläontologie als wissenschaftlicher Glücksfall: Versteinerte Erbrochenes eines Raubsauriers hat Forschenden einen bislang unbekannten Flugsaurier vor Augen geführt und liefert zugleich Einblicke in das Fressverhalten der Urzeitgiganten.
Ein Forschungsteam um Aline Ghilardi von der Universidade Federal do Rio Grande do Norte im brasilianischen Natal stieß in einem sogenannten Regurgitalith, einem fossilen Auswurf aus dem Verdauungstrakt eines Dinosauriers, auf Knochenfragmente, wie sie bislang keiner bekannten Art zugeordnet werden konnten. Zwischen den Resten der verdauten Mahlzeit fanden sich neben Fischfossilien auch die Überbleibsel eines neu beschriebenen Pterosauriers, der den Namen Bakiribu waridza erhielt.
Ein Flugsaurier mit „Bartenkamm“ im Schnabel
Die Sensation liegt nicht allein im außergewöhnlichen Fundumfeld, also der „versteinerten Kotze“, sondern in den Merkmalen des Tieres selbst. Bakiribu waridza nutzte einen feinen Bartenkamm im Schnabel, um ähnlich wie Flamingos kleine Organismen aus dem Wasser zu filtrieren. Damit ist er der erste filtrierende Flugsaurier, der in Brasilien entdeckt wurde.
Der Name „Bakiribu“ stammt aus der Sprache des indigenen Kariri-Volkes und bedeutet „Kammmaul“ – ein Hinweis auf die charakteristische Morphologie des Schnabels. Vermutlich ernährte sich dieser Pterosaurier von Kleinkrebsen und winzigen Wasserbewohnern, die in den Barten haften blieben. Die Mischung seiner anatomischen Merkmale deutet darauf hin, dass Bakiribu waridza eine mögliche evolutionäre Zwischenform zwischen älteren filtrierenden Arten aus Deutschland und jüngeren Funden aus Argentinien darstellt.
Ein Raubsaurier verschluckte sich und schrieb Wissenschaftsgeschichte
Die Knochen, die nun bakteriell zersetzt und schließlich wieder ausgespien wurden, erzählten den Forschenden eine klare Geschichte: Der unbekannte Raubsaurier, vermutlich ein Vertreter der Spinosaurier, verschlang zuerst den Flugsaurier und anschließend vier Fische. Doch die Pterosaurierknochen bereiteten ihm offenbar Schwierigkeiten. Sie waren zwar angeknackst, aber kaum zerkleinert, ein Hinweis darauf, dass das Tier sie nicht vollständig verdauen konnte. Am Ende lösten die scharfkantigen Überreste einen Würgereiz aus, der die ganze Mischung wieder nach außen beförderte.
Spinosaurier sind für ihre semi-aquatische Lebensweise bekannt. Sie jagten im Wasser und an Ufern. Dort, wo auch viele Pterosaurier auf Nahrungssuche waren. Der Fund passt somit gut ins ökologische Bild: ein räuberisches Zusammentreffen am Wasser, gefolgt von einem missglückten Festmahl, das 110 Millionen Jahre später eine wissenschaftliche Sensation wird.
Ein Fund wie ein Lottogewinn
Regurgitalithe gehören zu den seltensten fossilen Zeugnissen. Dass sie zudem Knochen einer bisher unbekannten Art enthalten, ist fast beispiellos. Für die Paläontologie bedeutet der Fund nicht nur die Beschreibung einer neuen Spezies, sondern auch einen seltenen Einblick in Nahrungsketten der Kreidezeit – und einen direkten Hinweis darauf, wie eng Flugsaurier und Raubsaurier in ihren Lebensräumen aufeinandertrafen.
Bakiribu waridza erweitert damit nicht nur das Bild der pterosaurischen Vielfalt, sondern zeigt auch, wie ein unerwarteter Fundort, der Mageninhalt eines anderen Tieres, ein Fenster in die Evolution öffnen kann.
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