Messel, Hessen. Wer heute an den Rand der Grube Messel tritt, sieht zunächst nichts Spektakuläres: dichter Bewuchs, kleine Wasserflächen, ein Gelände, das an ein überwuchertes Baggerloch erinnert. Kaum vorstellbar, dass dieses Stück Erde in der Nähe von Darmstadt 1990 beinahe als Mülldeponie geendet hätte, nur ein Formfehler in den Planungsunterlagen und anhaltender Protest retteten das Areal. Heute gehört die Stätte zum UNESCO-Weltnaturerbe und gilt als eine der bedeutendsten Fossilienlagerstätten der Welt.
Fossilien in Massen
Die äußere Unscheinbarkeit täuscht: Unter der Oberfläche verbirgt sich eine wahre Schatzkammer der Paläontologie. Die Grube Messel liefert seit über 140 Jahren sensationelle Funde, von winzigen Insekten über Urzeitvögel bis hin zu krokodilartigen Reptilien. Rund 50.000 Einzelfunde sind bereits dokumentiert, jährlich kommen rund 3.000 weitere hinzu. Besonders spektakulär: die Fossilien winziger Urpferdchen, die einst kaum größer als ein Dackel waren. Manche Stuten starben trächtig, die Überreste ihrer Föten sind bis heute sichtbar.
„Fast jeder Stein birgt eine Überraschung“, berichten Paläontologen. Doch nicht jedes Exemplar wird geborgen: Häufige Funde wie Blattabdrücke oder kleinere Knochen bleiben im Gestein, während außergewöhnlich gut erhaltene Fossilien in die Sammlungen wandern.
Die herausragende Qualität der Fossilien ist den besonderen Bedingungen im damaligen Messeler Maarsee zu verdanken. Vor 48 Millionen Jahren lagerte sich am Grund des Gewässers feinkörniger, sauerstoffarmer Faulschlamm ab. Er konservierte Tiere und Pflanzen so detailreich, dass noch heute feinste Strukturen von Federn, Haut oder selbst Mageninhalte erkennbar sind.
Der berühmte „Messeler Ölschiefer“, aus dem der ehemalige Tagebau seinen Namen hat, schützt die Fossilien im feuchten Zustand. Doch sobald das Gestein austrocknet, zerfällt es – und mit ihm die kostbaren Überreste. Deshalb werden die Funde sofort in Wasser aufbewahrt und später in Kunstharz fixiert.
Ida: Ein Weltstar der Urzeit
Im Jahr 2009 gelang den Forschern ein Coup: Das Fossil eines kleinen Primaten sorgte weltweit für Schlagzeilen. „Ida“, wie das Tier getauft wurde, war nicht nur fast vollständig erhalten – sogar die Abdrücke ihrer letzten Mahlzeit, Blätter und Früchte, waren sichtbar. Mit etwa 48 Millionen Jahren gilt Ida als eine der ältesten bekannten Primatenformen und liefert wichtige Hinweise zur Evolution der frühen Säugetiere.
Auch heute noch ist die Grube Messel ein aktiver Forschungsstandort. Besonders im Sommer, wenn neue Grabungsflächen geöffnet werden, können Besucher Führungen erleben und dabei zusehen, wie Paläontologen vorsichtig Fossilien aus dem bröckeligen Ölschiefer lösen.
Wer die Stätte besucht, sollte sich vom unscheinbaren Anblick nicht täuschen lassen: Unter jedem Schritt schlummert ein Stück Erdgeschichte, konserviert in dunklem Gestein und wartend auf die nächste Entdeckung.
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