Sie gleiten majestätisch durch tropische Ozeane, gelten als friedliche Riesen. Doch Mantarochen führen ein Doppelleben. Neben ihren bekannten Aufenthalten in warmen Oberflächengewässern wagen sie immer wieder spektakuläre Tauchgänge in extreme Tiefen. Neue Forschungsergebnisse zeigen: Einige dieser Tiere dringen mehr als 1.200 Meter in die Tiefsee vor, in eisige, lichtlose Zonen, die als lebensfeindlich gelten. Was treibt die Rochen dorthin?
Tiefenrekord sprengt bisherige Vorstellungen
Ein internationales Wissenschaftsteam aus Neuseeland, Indonesien und Peru hat 24 Riesenmantas (Mobula birostris) mit hochpräzisen Sensoren ausgestattet. Die Datenauswertung bestätigt: Mantarochen können bis zu 1.250 Meter tief tauchen – fast doppelt so tief wie bislang dokumentiert. Frühere Messungen gingen von maximal 700 Metern aus.
„Unsere Daten zeigen, dass Riesenmantas weit vor der Küste in Tiefen vordringen, die wir bisher für ausgeschlossen hielten“, erklärt Studienleiter Calvin Beale von der Murdoch University in Perth.
Die Reise ins Unbekannte: Kein Zufall, sondern Strategie
Die Tiefseetauchgänge erfolgen nie planlos. Auffällig ist, dass die Tiere direkt nach dem Abstieg lange horizontale Strecken zurücklegen, teils über 200 Kilometer. Die Forschenden vermuten: Die Rochen nutzen die extremen Bedingungen der Tiefe, um Informationen über Strömungen, Temperaturen und den Sauerstoffgehalt zu sammeln.
Diese Unterschiede in der Wassersäule könnten den Tieren als Orientierungspunkte dienen, ähnlich wie ein Navigationssystem im dreidimensionalen Raum des offenen Ozeans.
„Indem sie abtauchen und diese Umweltreize erfassen, erstellen sie eine mentale Karte des Meeres“, so Beale.
Tiefsee als Informationsquelle, nicht als Lebensraum
In den kalten, dunklen Tiefen verbringen die Rochen nur wenige Minuten. Das spricht gegen die These, sie würden Fressfeinden ausweichen oder dort Nahrung suchen. Vielmehr scheint die Tiefsee ein gigantischer Informationsspeicher zu sein: Temperaturgradienten, Sauerstoffschichten oder Lichtreflexionen könnten den Mantas helfen, Wanderrouten zu planen und sich in der scheinbar endlosen Weite des Ozeans zu orientieren.
Insbesondere vor der Küste Neuseelands wurden besonders viele dieser Tiefentauchgänge dokumentiert, möglicherweise, weil dort komplexere ozeanographische Strukturen vorherrschen.
Bedeutung für Meeresschutz und Forschung
Mantarochen zählen zu den bedrohten Arten. Ihre Wanderungen erstrecken sich über nationale Grenzen hinweg und offensichtlich auch über verschiedene Meeresschichten. Die Studie unterstreicht, wie wichtig eine internationale Zusammenarbeit beim Schutz der Ozeane ist.
„Die Tiefsee bleibt einer der am wenigsten erforschten Lebensräume der Erde – und doch beeinflusst sie das globale Klima und die marine Nahrungskette“, betont Beale. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass wandernde Arten wie Mantarochen auf ein gesundes Zusammenspiel von Küsten- und Hochseegebieten angewiesen sind.“
Fazit
Die spektakulären Tauchgänge der Mantarochen in über 1.200 Meter Tiefe sind mehr als nur ein biologisches Kuriosum. Sie zeigen, wie komplex das Navigationsverhalten dieser Tiere ist und wie wenig wir über das unsichtbare Netzwerk der Ozeane wissen. Die Tiefsee ist kein toter Raum, sondern ein aktiver Teil des globalen Ökosystems, dessen Geheimnisse erst allmählich ans Licht kommen.
Mantarochen tauchen nicht hinab, um zu jagen oder zu fliehen. Sie tauchen, um zu verstehen.
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