Lautloser Gigant aus der Urzeit: Neue Erkenntnisse über den Temnodontosaurus

Ein mehr als zehn Meter langes Meeresreptil, das sich nahezu lautlos durch die Urzeit-Ozeane bewegte, diese Vorstellung wird durch eine neue wissenschaftliche Untersuchung greifbar. Im Fachjournal Nature berichten Forschende über den Fund einer außergewöhnlich gut erhaltenen Vorderflosse des Ichthyosauriers Temnodontosaurus trigonodon. Die Analyse des Fossils, das in Dotternhausen auf der Schwäbischen Alb entdeckt wurde, offenbart, wie raffiniert sich dieser urzeitliche Spitzenjäger an seine aquatische Umgebung angepasst hatte.

Fossilfund mit außergewöhnlichem Erhaltungszustand

Der Fossiliensammler Georg Göltz hat im Jahr 2009 bei Straßenbauarbeiten ein etwa einen Meter langes Fossilstück entdeckt. Dieses wurde später als Vorderflosse eines rund 183 Millionen Jahre alten Temnodontosaurus identifiziert. Johan Lindgren und sein Team von der Universität Lund in Schweden haben das Fundstück mittels moderner Analysemethoden untersucht. Es wurden dabei bildgebende Verfahren und geochemische Untersuchungen angewandt.

Die Forschenden konnten rekonstruieren, dass die Flosse eine flügelartige Form hatte, mit flexiblen, geriffelten Hinterrändern und ohne knöchernes Endstück. Gestützt wurden diese elastischen Strukturen von sogenannten Chondrodermen, speziellen Knorpelstäbchen, die bislang bei keinem anderen bekannten Meeresreptil nachgewiesen wurden. Die Anatomie dieser Flosse, so das Team, spricht für eine nahezu lautlose Fortbewegung unter Wasser.

Der Jäger, der kaum Geräusche machte

„Diese Anpassung ist einzigartig“, sagt Studienleiter Lindgren. Der stromlinienförmige Körperbau, die geräuscharme Schwimmtechnik und nicht zuletzt die riesigen Augen, so groß wie moderne Fußbälle, deuten auf eine spezialisierte Lebensweise hin. Die Kombination aus hervorragendem Sehvermögen und stiller Bewegung machte ihn zu einem nahezu perfekten Räuber der Meere.

Diese Erkenntnisse bestätigen nicht nur das hohe Maß an Evolutionstechnologie bei Ichthyosauriern, sondern liefern auch Hinweise auf die Bedeutung akustischer Reize im Ozean, damals wie heute. „Wenn ein Tier so leise schwimmen musste, um seine Beute nicht zu verschrecken, zeigt das, wie empfindlich marine Lebensräume auf Geräusche reagieren“, betont das Forschungsteam. In Zeiten zunehmender Lärmbelastung durch Schifffahrt, Militärtechnik und Windkraftanlagen sei das eine wichtige Mahnung.

Vorbild für Technik der Zukunft

Auch aus technischer Sicht sind die Ergebnisse bemerkenswert. Der Bonner Paläontologe Martin Sander, der nicht an der Studie beteiligt war, lobt die wissenschaftliche Tiefe der Arbeit: „Diese Studie zeigt, wie vielfältig die Biodiversität früher war. Solche hochspezialisierten Eigenschaften findet man heute in dieser Form nicht mehr.“ Gleichzeitig hebt er das Potenzial für moderne Technik hervor: Die Prinzipien der lautlosen Fortbewegung könnten als Vorbild für leisere Unterwasserfahrzeuge dienen und so einen Beitrag zur Reduktion von Schallverschmutzung leisten.

Das Fossil ist heute im Paläontologischen Museum Nierstein in Rheinland-Pfalz ausgestellt. Es reiht sich ein in eine lange Geschichte spektakulärer Ichthyosaurier-Funde, die vor über 200 Jahren in Südengland ihren Anfang nahm, ebenfalls mit einem Temnodontosaurus. Die aktuellen Forschungsergebnisse zeigen eindrucksvoll, wie viel wir noch immer über das Leben in den Urmeeren lernen können, und wie relevant diese Erkenntnisse auch für die Gegenwart und Zukunft sind.

Sladjan Lazic

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