Vor rund 30 Millionen Jahren durchstreiften riesige, schweinähnliche Paarhufer die Great Plains der heutigen USA. Neue Analysen ihrer fossilen Zähne enthüllen nun eine überraschende Wahrheit: Die größten Vertreter dieser Spezies waren Allesfresser mit einer besonderen Vorliebe für Fleisch und konnten Knochen mühelos zermalmen – ganz wie heutige Großraubtiere.
WASHINGTON/BIRMINGHAM. Sie werden dramatisch als „Höllenschweine“ bezeichnet, waren aber weder schweinisch noch dämonischer Natur: Die Archaeotherium bevölkerten in der erdgeschichtlichen Epoche des Oligozäns (vor 35 bis 28 Millionen Jahren) die Steppen und Flusslandschaften Nordamerikas. Diese ungewöhnlichen Paarhufer, deren größte Arten die Ausmaße einer heutigen Kuh erreichten, faszinieren die Paläontologie vor allem durch ihr imposantes Erscheinungsbild und ihre rätselhafte Ernährung.
Ein Forschungsteam um Brynn Wooten von der Vanderbilt University in Tennessee (USA) hat nun eine neue, detaillierte Untersuchung der Zahnabnutzung dieser prähistorischen Wesen durchgeführt. Die Ergebnisse, die kürzlich auf der Jahrestagung der Society of Vertebrate Paleontology 2025 in Birmingham präsentiert wurden, liefern eindeutige Hinweise auf eine hochspezialisierte Ernährungsweise bei den großen Arten.
Der Schädel eines Riesen, das Gehirn eines Zwergs
Das Aussehen des Archaeotherium lässt sich am besten als eine bizarre Mischung aus einem afrikanischen Warzenschwein und einem kräftigen, wölfischen Raubtier beschreiben – mit einem entscheidenden Unterschied: Ihr Schädel war massiv. Bis zu 90 Zentimeter lang, war der Kopf im Verhältnis zum Körper geradezu gigantisch und trug eine lange Schnauze mit furchteinflößenden Eckzähnen. Auffällig sind auch die knöchernen, stark hervortretenden Jochbeine, an denen Forschende Spuren von Kampfverletzungen fanden – ein Hinweis auf brutale Beißereien während der Paarungszeit.
Diese massiven Schädel beherbergten im Übrigen erstaunlich kleine Gehirne. Trotz der äußeren Ähnlichkeit zu Schweinen gehören Archaeotherium auch nicht zur Familie der Schweineartigen, sondern stehen Walen und Flusspferden verwandtschaftlich näher.
Mikrospuren enthüllen den Speiseplan
Mithilfe der sogenannten Dental-Microwear-Texture-Analyse – einer hochpräzisen Methode, bei der 3D-Scans der Zahnoberflächen unter dem Hochleistungsmikroskop erstellt werden – untersuchten Wooten und ihre Kollegin Larisa DeSantis Fossilien aus mehreren US-Bundesstaaten.
Die Analyse der Zahnabnutzung zeigte eine klare Spaltung der Ernährungsgewohnheiten je nach Größe:
- Kleinere Arten des Archaeotherium zeigten Abnutzungsmuster, die jenen heutiger Pekaris (Nabelschweine) ähneln, die hauptsächlich im Boden wühlen und weichere pflanzliche Nahrung bevorzugen.
- Größere, kuhgroße Arten wiesen jedoch ein Abnutzungsprofil auf, das statistisch nicht von jenem von Löwen und Hyänen zu unterscheiden war.
„Es ist wirklich interessant, dass die großen Arten in der Lage waren, Knochen zu knacken“, kommentierte Koautorin Larisa DeSantis die Ergebnisse. Die Spuren deuten darauf hin, dass diese Tiere große Mengen harter Nahrung verzehrten.
Jagd und Aasfressen wie moderne Raubtiere
Die Forschenden vermuten, dass die größten Archaeotherium in der prähistorischen Landschaft eine ökologische Nische als opportunistische Allesfresser mit einem Hang zu Fleisch besetzten. Sie konnten zwar theoretisch alles verwerten – von Knollen bis zu verholzten Trieben – doch deuten ihre Anatomie und der Zahnbefund auf eine starke fleischbasierte Komponente hin.
Frühere Funde, darunter Bissspuren an den Fossilien kleiner Kamelverwandter (Poebrotherium), legen nahe, dass sie nicht nur Aas fraßen, sondern auch jagten und sogar Teile ihrer Beute als Vorrat lagerten. Da das Gebiss der Tiere jedoch nicht zum feinen Zerteilen von Fleisch ausgelegt war, mussten sie ihre kräftige Nacken- und Kopfmuskulatur einsetzen, um Stücke aus der Beute zu reißen.
Die hohe Kapazität zum Zermalmen von Knochen könnte auch darauf hindeuten, dass sie ihre enorme Körpergröße strategisch nutzten, um kleineren, fleischfressenden Räubern die erlegte Beute streitig zu machen und diese anschließend vollständig zu verwerten.
Die weitere Forschung, so kündigte Wooten an, wird sich nun der Analyse von Kalziumisotopen widmen, um endgültig zu klären, welcher Anteil der Ernährung der „Höllenschweine“ tatsächlich aus tierischem Eiweiß bestand.
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