Seit vier Jahren, genauer gesagt, seit 2021, kann im Naturhistorischen Museum Wien, ein außergewöhnliches Fossil zu betrachtet werden. Es handelt sich um die gut erhaltenen Überreste eines Plateosaurus trossingensis. Diese wurden im schweizerischen Frick geborgen. Ein internationales Forschungsteam hat vor Kurzem die Anatomie des Schwanzes dieses frühen Dinosauriers genauer unter die Lupe genommen. Mit überraschendem Ergebnis. Der Pflanzenfresser könnte seinen Schwanz als effektive Waffe gegen Fleischfresser eingesetzt haben, ähnlich wie heutige Reptilien, berichten Forscher:innen im Fachjournal Royal Society Open Science.
Ein unscheinbarer Schwanz mit erstaunlicher Wirkung
Der Plateosaurus lebte vor etwa 210 Millionen Jahren, das war in der späten Trias-Zeit. Er war bis zu acht Meter lang. Er gehörte mit seinem massigen Körperbau zu den ersten großen Vertretern der Dinosaurier. Er war somit ein Vorfahre der späteren Sauropoden. Sie waren gigantische Langhalsdinosaurier der Jurazeit. Auch war er vermutlich kein schneller Läufer, der bei Gefahr hätte fliehen können.
Kraftvoll, aber nicht blitzschnell: Verteidigung ohne Überschall
Umso interessanter ist die neue Erkenntnis, dass der Plateosaurus seinen langen, kräftigen Schwanz offenbar als Schlagwaffe einsetzte. Bei der wissenschaftlichen Analyse des Wiener Fossils, einem der vollständigsten erhaltenen Schwanzskelette eines Plateosaurus, fanden die Forschenden heraus, dass das Tier mit der Spitze seines Schwanzes Schläge mit bis zu 1,6 Kilojoule ausführen konnte. Der gesamte Schwanz konnte sogar eine kinetische Energie von bis zu 174 Kilojoule freisetzen. Das entspricht in etwa dem Aufprall eines Vorschlaghammers. Genug, um kleinere oder mittelgroße Raubdinosaurier ernsthaft zu verletzen oder zumindest abzuschrecken.
Als Vorbild für die Berechnungen diente das Verhalten heutiger Reptilien, etwa des asiatischen Bindenwarans oder des Grünen Leguans. Beide nutzen ihre Schwänze regelmäßig zur Verteidigung, indem sie kräftige Hiebe austeilen. Die Forschenden rund um Ursula Göhlich vom Naturhistorischen Museum Wien und Thomas Filek von der Universität Wien und der Universität für Bodenkultur gingen daher der Frage nach, ob auch Plateosaurus zu dieser Verteidigungsstrategie fähig gewesen sein könnte. Und ihre Ergebnisse sprechen klar dafür.
Ein direkter Vergleich mit einem anderen berühmten Dinosaurier macht die Unterschiede deutlich: Diplodocus, ein riesiger Sauropode der späten Jurazeit, hatte einen besonders langen, peitschenartigen Schwanz, der möglicherweise so schnell bewegt werden konnte, dass ein Überschallknall entstand, ein Effekt, den man beim Plateosaurus aufgrund seines anatomischen Baus ausschließen kann. Doch auch ohne Schallknall dürfte ein Hieb des Plateosaurus durchaus effektiv gewesen sein.
Besonders für Jungtiere, die noch nicht durch ihre Größe beeindrucken konnten, könnte diese Form der Verteidigung eine entscheidende Überlebensstrategie gewesen sein. Und Hinweise auf reale Begegnungen mit Räubern gibt es ebenfalls: In einem der Knochen des Wiener Fossils fanden sich Spuren eines abgebrochenen Raubtierzahns, ein stummes Zeugnis des urzeitlichen Kampfes ums Überleben.
Die Forschung zeigt: Auch vermeintlich wehrlose Pflanzenfresser wie Plateosaurus trossingensis verfügten über wirkungsvolle Mittel, sich gegen Feinde zu behaupten. Ein unscheinbarer Schwanz entpuppt sich dabei als verblüffend effektive Waffe und wirft ein neues Licht auf das Verteidigungsverhalten der frühen Dinosaurier.