Sensation vor Baja California: Die Jagd nach dem Japanischen Schnabelwal endet mit erstem Live-Beweis

Nach fünfjähriger akribischer Suche gelang einem internationalen Forschungsteam ein Triumph der Meeresbiologie: die erste bestätigte Lebendsichtung des extrem scheuen Japanischen Schnabelwals (Mesoplodon gingkodens). Ein erfahrener Experte sicherte mit einem gezielten Schuss die genetische Bestätigung dieser wissenschaftlichen Sensation in den Weiten des Pazifiks.

Im Juni 2024 herrschte vor der nordwestlichen Küste der Baja California in mexikanischen Gewässern eine ungewohnte Aufregung. An Bord des Forschungsschiffs RV Pacific Storm wurde das Frühstück jäh unterbrochen, als der Ruf „Whales! Starboard side!“ über das Deck hallte. Die Besatzung, ein Team von Wal-Experten aus den USA und Mexiko, war hellwach, denn das, was der Ausguck durch seine leistungsstarken Ferngläser erspäht hatte, war alles andere als alltäglich: Es waren zwei Exemplare des Japanischen Schnabelwals – einer der seltensten Walarten der Welt.

Für die nächsten Stunden entwickelte sich eine wissenschaftliche Verfolgungsjagd. Die Forschenden verfolgten die beiden Tiere, die immer wieder nur für kurze, schnelle Atemzüge an die Oberfläche kamen und ebenso schnell wieder in die Tiefe abtauchten. Fotos und akustische Aufnahmen wurden gesammelt. Der Höhepunkt war erreicht, als der erfahrene Wal-Experte Robert Pitman von der Oregon State University die Spezial-Armbrust zur Hand nahm.

Der perfekte Schuss eines Veteranen

Pitmans Auftrag: Eine Gewebeprobe. Die Armbrustbolzen für das sogenannte Biopsy Sampling sind so modifiziert, dass sie lediglich ein winziges Stückchen Oberfläche ausstanzen, um dann an der Wasseroberfläche aufgesammelt zu werden. Pitman, der gerade erst in den Ruhestand gegangen war, aber für diese Expedition reaktiviert wurde, traf perfekt den dunkelgrauen Walrücken.

Für die Wahl von Pitman gab es gute Gründe: Der Veteran der Walforschung hat in seiner Karriere bereits schwierig zu entdeckende Spezies aufgespürt, darunter eine Unterart der antarktischen Typ D-Orcas. Auch an der Artbeschreibung neuer Schnabelwale, wie dem kleinen Rabenwal (Satos Schnabelwal, Berardius minimus), war er beteiligt. Seine Expertise im Verhalten dieser scheuen Tiefseelebewesen war unschätzbar. Die Gewebeprobe wird nun mittels genetischem Abgleich die Artzugehörigkeit zweifelsfrei bestätigen.

Fünf Jahre im Schatten des Ozeans

Die sensationelle Sichtung war das Ergebnis fünfjähriger, akribischer „Pirsch“. Alles begann im Jahr 2020, als Elizabeth Henderson vom US military’s Naval Information Warfare Center mit Kollegen eine Gruppe von Walen akustisch aufzeichnete, die ungewöhnliche Rufe, den sogenannten BW 43-Impuls, ausstießen. Es war klar, dass diese charakteristischen, frequenzmodulierten Echolokationsimpulse von einer Art der wenig erforschten -Gattung stammen mussten – mittelgroße Schnabelwale, die für jede Art einen eigenen Ruf entwickeln.

Die Hoffnung war, dass es sich um den noch nie lebend beobachteten Perrins Schnabelwal (Mesoplodon perrini) handeln könnte. In den folgenden drei Jahren kehrten die Forscher mehrmals, zunächst mit einem Segelboot, dann mit einem gecharterten Fischerboot, in das Gebiet zurück – ohne Erfolg.

2024 erfolgte der entscheidende Schritt: Ein Team der Oregon State University kehrte mit der RV Pacific Storm zurück. Dieses spezialisierte Forschungsschiff war der Schlüssel zum Erfolg: Es war nicht nur mit modernsten Hydrophonen zur Unterwasserortung ausgestattet, sondern verfügte auch über eine hoch gelegene Beobachtungsplattform mit leistungsstarken Binokularen.

Technologie gegen Scheu

Die Schnabelwale sind die extremsten Tieftaucher unter den Walen, die meiste Zeit in der Sicherheit der Tiefe verbringen und nur für wenige Minuten an die Oberfläche kommen, um zu atmen. Hinzu kommt ihre extreme Scheuheit. Beim Auftauchen strecken sie nur den Kopf und einen Teil des Rückens wenige Zentimeter aus dem Wasser. Der hohe Beobachtungsposten und die Ferngläser der Pacific Storm waren unerlässlich, um dieses unscheinbare Verhalten über große Distanzen zu erkennen.

Auf der jüngsten Expedition gelang es dem Team, insgesamt sechs Schnabelwale zu sichten, von denen fünf später durch Fotos, Akustik und Genetik als Japanische Schnabelwale identifiziert werden konnten. Das in der Fachpresse veröffentlichte Beweisfoto zeigt ein erwachsenes Männchen.

Die Identifizierung wurde durch die charakteristischen Merkmale der Männchen erleichtert: Sie entwickeln zwei ungewöhnlich geformte Zähne im Unterkiefer. Diese sind zwar nicht sehr groß, doch die Zahnspitzen ragen aus dem kurzen Schnabel hervor. Bei dem gesichteten Männchen waren sie von weißlichem Narbengewebe umgeben – eine Folge der Kommentkämpfe, die Bullen mit ihren Schnäbeln und Zähnen austragen. Auch runde Narben, die von sogenannten „Cookie-Cutter-Haien“ stammen, sind häufig auf der dunkelgrauen Haut zu sehen.

Mit 24 bekannten Arten, zu denen zuletzt 2021 Ramaris Zweizahnwal (Mesoplodon eueu) hinzukam, bleibt die -Gattung eine der geheimnisvollsten Gruppen im Ozean. Die jüngste Sichtung des Japanischen Schnabelwals, die im Juli publiziert wurde und auch dank der Präsenz eines „herumlungernden Albatros“ in den Medien viral ging, ist ein wichtiger Schritt, um die Schleier um diese „Geisterwale“ zu lüften.

Sladjan Lazic

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