Neue Analysen enthüllen: Die wärmeliebenden Tiere überdauerten in Mitteleuropa viel länger als bislang angenommen.
Dass Flusspferde einst in Mitteleuropa lebten, ist lange bekannt. Doch nun sorgt eine neue Studie für Überraschung: Die imposanten Tiere, die heute nur noch in Afrika südlich der Sahara vorkommen, hielten sich offenbar deutlich länger auf deutschem Boden auf als bisher angenommen.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Potsdam, der Reiss-Engelhorn-Museen und des Curt-Engelhorn-Zentrums für Archäometrie in Mannheim hat Knochenfunde aus dem Oberrheingraben neu untersucht – mit bemerkenswertem Ergebnis. Radiokarbondatierungen und DNA-Analysen zeigen, dass Flusspferde dort noch zwischen 47.000 und 31.000 Jahren vor heute lebten. Damit teilten sie sich ihre eiszeitliche Umwelt mit Mammuts und Wollnashörnern, zu einer Zeit also, als Europa längst von Kälte und Gletschern geprägt war.
Späte Überlebende einer wärmeren Phase
Bislang gingen Forscher davon aus, dass die sogenannten gewöhnlichen Flusspferde bereits zu Beginn der letzten Eiszeit, also vor rund 115.000 Jahren, aus Mitteleuropa verschwanden. Zu kalt, zu unwirtlich, so lautete die verbreitete Erklärung. Die neuen Ergebnisse stellen dieses Bild nun infrage. Offenbar existierte im Oberrheingraben, einer tief gelegenen Ebene entlang des Rheins zwischen der Schweiz, Frankreich und Südwestdeutschland, ein milderes Mikroklima.
„Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass die Eiszeit nicht überall gleich verlief“, sagt Wilfried Rosendahl, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen. „Es gab lokale Rückzugsräume, in denen wärmeliebende Tiere erstaunlich lange überdauern konnten.“
Eine kleine, isolierte Population
Die in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass die Population im Oberrheingraben vermutlich klein und isoliert war. In Flusstälern und alten Gewässern fanden die Tiere offenbar noch genügend Lebensraum, ein Reliktbestand inmitten der eiszeitlichen Kälte.
Die genetische Analyse ergab zudem: Die damaligen Flusspferde waren eng mit den heutigen afrikanischen Vertretern (Hippopotamus amphibius) verwandt und gehören zur gleichen Art.
Giganten zwischen Mammuts
Das Großflusspferd, das ein Gewicht von über drei Tonnen erreichen kann, bevorzugt warme Lebensräume und ist auf Gewässer angewiesen. Dass es mitten im Eiszeitalter noch in Südwestdeutschland existierte, zeigt, wie dynamisch das Klima jener Zeit war. Offenbar bot der Oberrheingraben zeitweise ausreichend milde Bedingungen, eine ökologische Nische für die mächtigen Pflanzenfresser.
Neben dem Großflusspferd existiert heute nur noch eine zweite Art, das deutlich kleinere Zwergflusspferd (Choeropsis liberiensis), das in den dichten Regenwäldern Westafrikas lebt.
Zeugnisse einer erstaunlichen Vergangenheit
Die Fossilien aus Sand- und Kiesablagerungen des Oberrheingrabens sind somit nicht nur Überreste einer vergangenen Tierwelt, sondern auch Belege für die Komplexität des europäischen Eiszeitklimas. Die neuen Erkenntnisse zeichnen ein differenzierteres Bild davon, wie Tierarten auf Umweltveränderungen reagierten – und wie selbst wärmeliebende Giganten in Mitteleuropa erstaunlich lange überleben konnten.
- Paläontologie: Flusspferde im Eiszeitalter – Als Kolosse durch den Oberrheingraben zogen - 13. Oktober 2025
- Entdeckung einer neuen Dinosaurierart mit der Schwertschnauze sorgt für Aufsehen - 12. Oktober 2025
- Triopse züchten: Weißt du, was ich nach Jahren der Triops-Zucht entdeckt habe? - 11. Oktober 2025