Im bolivianischen Torotoro-Nationalpark ist Paläontologen ein außergewöhnlicher Fund gelungen: Mehr als 18.000 versteinerte Dinosaurierspuren auf engem Raum geben detaillierte Einblicke in das Verhalten der Urzeitechsen. Die Spuren dokumentieren nicht nur das Gehen, sondern auch das Rennen, Schwimmen und sogar Richtungswechsel, ein einzigartiges Fenster in eine längst verschwundene Welt.
Größte Fußabdruck-Fundstelle der Welt
Ein internationales Forschungsteam hat in der Region Carreras Pampa die weltweit größte bekannte Ansammlung von Dinosaurier-Fußabdrücken kartiert. Auf einer Fläche von rund 7.485 Quadratmetern identifizierten die Wissenschaftler insgesamt über 18.000 Spuren. Ihr Alter wird auf etwa 66 bis 101 Millionen Jahre datiert und fällt damit in die späte Kreidezeit.
Die Ergebnisse wurden im Fachjournal PLOS One veröffentlicht und übertreffen alle bislang bekannten Fundstellen deutlich. Allein 16.600 Abdrücke stammen von Theropoden – zweibeinigen, meist fleischfressenden Dinosauriern mit charakteristischen dreizehigen Füßen.
Hinweise auf Schwimmen im seichten Wasser
Neben klassischen Gehspuren barg die Fundstelle eine Besonderheit: 1.378 Abdrücke lassen sich eindeutig als Schwimmspuren interpretieren. Sie zeigen, wie einzelne Dinosaurier durch flaches Wasser paddelten. Dabei drückte sich vor allem der mittlere Zeh tief in den Schlamm, während die übrigen Zehen und die Ferse kaum Kontakt zum Untergrund hatten.
„Überall, wo man auf diese Gesteinsschicht blickt, sieht man Dinosaurierspuren“, sagt Studienmitautor Jeremy McLarty von der Southwestern Adventist University in Texas. Für die Forscher ist dies ein seltener Beleg für das Verhalten lebender Tiere – nicht nur für ihre Anatomie.
Eine Dinosaurier-Autobahn am Seeufer
Die Ausrichtung der Spuren deutet auf eine klare Struktur hin: Die meisten Abdrücke verlaufen entweder in nordwestlicher oder südöstlicher Richtung. Für die Wissenschaftler ist das ein starkes Indiz dafür, dass die Dinosaurier entlang einer ehemaligen Uferlinie unterwegs waren.
Vor rund 100 Millionen Jahren befand sich an dieser Stelle vermutlich das Ufer eines flachen Süßwassersees. Parallel verlaufende Ripplemarks im Gestein, also durch Wasserbewegung entstandene Rippelstrukturen, stützen diese Annahme. „Spuren bewegen sich nicht“, betont McLarty. „Wer Carreras Pampa besucht, steht exakt dort, wo einst ein Dinosaurier gelaufen ist.“
Die Fußabdrücke offenbaren eine erstaunliche Größenvielfalt. Einige messen weniger als zehn Zentimeter, eine Seltenheit in der Paläontologie. Ob sie von sehr kleinen Arten oder von Jungtieren größerer Dinosaurier stammen, ist bislang unklar.
Am anderen Ende des Spektrums stehen Abdrücke von über 30 Zentimetern Länge, die vermutlich mittelgroßen Theropoden wie Allosaurus oder Dilophosaurus zugeordnet werden können. Nach Berechnungen der Forscher lag die Hüfthöhe der meisten Tiere zwischen etwa 65 und 125 Zentimetern.
Fossile Momentaufnahmen von Bewegung und Verhalten
Besonders wertvoll ist die Vielfalt der erhaltenen Bewegungsmuster. Die Wissenschaftler fanden Hinweise auf Gehen, Rennen, abruptes Abbremsen und scharfe Wendungen. Vereinzelt sind sogar Schleifspuren von Dinosaurierschwänzen zu erkennen – ein extrem seltener Befund.
Solche Spuren liefern Informationen, die Knochen allein nicht preisgeben können. Sie zeigen, wie sich Dinosaurier tatsächlich in ihrer Umwelt bewegten und miteinander interagierten.
Die außergewöhnliche Erhaltung verdanken die Fußabdrücke günstigen geologischen Bedingungen. Das damalige Sediment bestand aus einer Mischung von etwa 65 Prozent Kalziumkarbonat und 35 Prozent feinen Silikaten. Der Untergrund war weich genug, um tiefe Abdrücke aufzunehmen, gleichzeitig aber stabil genug, um diese nicht sofort zu zerstören.
Kurz darauf wurde die Oberfläche von weiteren Sedimentschichten überdeckt und so für Millionen von Jahren konserviert. Erst Erosion legte die Spuren wieder frei.
Warum Fußabdrücke mehr erzählen als Knochen
„Spuren sind ein direkter Nachweis von Bewegung, Weichteilen und Umgebung“, erklärt Paläobiologe Peter Falkingham von der Liverpool John Moores University. Anders als isolierte Skelette erlauben sie einen unmittelbaren Blick auf das Leben der Tiere. „Solche Fundstellen lassen verlorene Ökosysteme auf eine Art lebendig werden, wie es Knochen allein nicht können.“
Mit Carreras Pampa festigt Bolivien seinen Ruf als eines der weltweit bedeutendsten Länder für Dinosaurierspuren. Bereits die zweitgrößte bekannte Fundstelle, Cal Orck’o nahe Sucre mit rund 14.000 Abdrücken, liegt dort, spektakulär sichtbar an einer fast senkrechten Felswand eines aktiven Steinbruchs.
Die neue Entdeckung könnte nun zum wichtigsten Referenzpunkt für die Erforschung von Dinosaurierbewegungen weltweit werden, einer echten „Urzeit-Autobahn“, die das Verhalten der Saurier so genau dokumentiert wie kaum ein anderer Ort auf der Erde.
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