Tully-Monster doch kein frühes Wirbeltier - Triops Galaxy

Paläontologie: Rätselhaftes Tully-Monster doch kein frühes Wirbeltier

In den 1950er Jahren wurden bei Ausgrabungen in der Mazon Creek Formation im US-Bundesstaat Illinois massenhaft Fossilien eines höchst eigenartigen Tieres entdeckt. Das Wesen war etwa 15 Zentimeter groß und hatte keinen Mund, sondern stattdessen einen langen, rüsselartigen Fortsatz mit einer zahnbewehrten Zange am Ende. Außerdem waren seine Augen auf zwei langen, dünnen Stielen platziert und sein Körper wirkte segmentartig gegliedert. Das Tullimonstrum gregarium lebte vor rund 300 Millionen Jahren und wurde nach seinem Entdecker Tully-Monster benannt. Neue 3D-Analysen lassen jedoch weiterhin ungeklärt, welcher wirbellosen Tiergruppe das marine Wesen aus dem Karbonzeitalter angehörte.

Von Nobu Tamura, http://spinops.blogspot.com/ http://paleoexhibit.blogspot.com/ – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/

Tully-Monster: Was ist das?

Seit fast 70 Jahren beschäftigen sich Expert:innen mit dem Tullimonstrum gregarium. Das urzeitliche Meereswesen fasziniert Paläontolog:innen nicht nur aufgrund seines bizarren Aussehens – es hatte tintenfischähnliche Flossen, Stielaugen und einen Rüssel mit bezahnten Kiefern am Ende – sondern auch aufgrund seiner taxonomischen Einordnung. Es wurde versucht, das Tier verschiedenen Wurmfamilien, Mollusken und Gliedertieren zuzuordnen, jedoch ohne klare Ergebnisse. Die Seltenheit des Fossils scheint hierbei keine Rolle zu spielen, da bereits mehrere Tausend Fossilien gefunden wurden.

Durch eine neue Untersuchung wird die bisherige Hypothese infrage gestellt, dass das Tullimonstrum taxonomisch nahe den Wirbeltierwurzeln zu finden sei. Tomoyuki Mikami und sein Team von der Universität Tokio haben das Rätsel erneut untersucht und festgestellt, dass die seltsame Morphologie des Tullimonstrum zu keinem bekannten Tierbauplan passt. Frühere Analysen der Anatomie des Tully-Monsters hatten einige Merkmale entdeckt, die Wirbeltieren ähnlich waren. Anschließend wurde das Tullimonstrum als Vorläufer der Neunaugen und somit als frühes Wirbeltier eingeordnet, diese Einordnung blieb jedoch umstritten.

Mikami und sein Team haben nun 153 fossile Exemplare des Tullimonstrum mithilfe eines 3D-Laserscanners und Mikro-Röntgentomografie untersucht, wobei sie sich insbesondere auf die Kopfregion konzentrierten. Die Untersuchung legt nahe, dass das Tullimonstrum gregarium kein Bindeglied der frühen Wirbeltier-Evolution ist, sondern bei dieser exotischen, rund 300 Millionen Jahre alten Tierart um einen ungewöhnlichen Vertreter der Wirbellosen handelt.

Rätsel weiterhin ungelöst

Das überraschende Ergebnis der 3D-Analysen des Tully-Monsters zeigt, dass es sich bei diesem Tier offenbar doch nicht um ein Wirbeltier handelt. Trotz einiger wirbeltierähnlicher Merkmale, wie einem dreigeteilten Gehirn und segmentierten Muskeln, unterscheidet es sich deutlich von den bekannten Wirbeltieren. Auch der Rüssel des Tully-Monsters mit seinen scharfen Mundwerkzeugen ähnelt nicht den Hornzähnen von Neunaugen und Schleimaalen, den bisher mutmaßlichen Verwandten des Tully-Monsters. Die Fachleute sind sich jetzt sicher, dass Tullimonstrum kein urtümliches Wirbeltier war. Doch was war es dann? Die Paläontolog:innen sind sich einig, dass es weitere Untersuchungen braucht, um diese Frage zu beantworten. Trotzdem sind die Ergebnisse der 3D-Analysen ein wichtiger Schritt, um das evolutionäre Puzzle des Tully-Monsters zu lösen. Die Charakteristik der Segmentierung in der Proboscis des Tully-Monsters ist von keiner Wirbeltier-Linie bekannt und deutet auf eine Zugehörigkeit zu den Wirbellosen hin, so die Expert:innen.

Sladjan Lazic

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